Über mich:
Ich, Jutta Horn, geboren am 28. April 1960, bin studierte Ökonomin und Betriebswirtin
und verfüge zudem über den Abschluss eines sozialpädagogischen Studienganges. Ich war viele Jahre im Vertrieb des Lebensmitteleinzelhandels tätig sowie in der Baumarktbranche. Die letzten Berufsjahre arbeitete ich als freie Dozentin. Seit meiner Geburt lebe ich an der Ostseeküste Vorpommerns. Ich liebe das Meer und die Weite dieses Landstriches ebenso wie seine Menschen. Hier mit meiner Familie meinen Lebensabend in Frieden zu verbringen wünsche ich mir von Herzen.
Briefwechsel:
Jutta Horn – Yevheniia Bruha
Originaltext
Frieden
Sehr geehrte Frau Yevheniia,
ich lese Ihre Zeilen, welche mich auf Umwegen erreichten, und erfahre so von den Gefühlen, welche Sie erfüllten, als die russischen Invasoren Ihre Heimatstadt Kiew attackierten. Viele der im Brief beschriebenen Bilder kenne ich aus den Nachrichten. Sie dokumentieren die beschriebene Zerstörung und Gewalt sowie den Machtanspruch der Eindringlinge. Gut, dass Sie den Mut fanden, das Chaos zurückzulassen, um das Leben der Tochter zu retten.
Es berühren mich ebenso die Schilderungen über das frühere Leben Ihrer Familie, weil auch ich Ähnliches in meiner wahrnahm. Wie Sie wurde ich in eine Zeit nach dem zweiten Weltkrieg hineingeboren. Die Schrecklichkeiten einer Invasion widerfuhren mir daher glücklicherweise nie persönlich, was bei Ihrer Großmutter beziehungsweise meinen Eltern jedoch der Fall war. Gut möglich, dass die damals gemachten Erfahrungen zu jener Sprachlosigkeit in der Generation geführt hatten. Ich selbst verbrachte eine unbekümmerte Kindheit in einem Teil Deutschlands, der heute nicht mehr existiert. Sein Auflösen weckte anfangs Ängste in mir, weil Vertrautes urplötzlich verschwand. Doch mir blieben die wertvollsten Dinge des Lebens: Meine Familie, meine Sprache und mein Dach über dem Kopf. Die Beklommenheit vor dem neuen fremden Deutschland lernte ich abzustreifen und fühle mich heute in ihm angekommen.
Ihre Sehnsucht nach Zuhause ist mir somit sehr verständlich, wenngleich unsere Lebensumstände nicht vergleichbar sind. Mein anfängliches Fremdeln im neuen Deutschland löste sich auf, Sie jedoch durchlaufen die Andersartigkeit des Lebensplanes gerade sehr drastisch und ohne heimatliches Dach über dem Kopf oder dem vertrauten Klang der Muttersprache an einer Straßenkreuzung oder beim Spazierengehen durch einen Park. Ich hoffe, dass Sie die soziale Sicherheit und unser friedvolles Miteinander hier in Stralsund ein wenig über die persönlichen Verluste und den Trennungsschmerz hinwegtrösten.
Behalten Sie bitte den Glauben an einen Triumph über die Okkupanten Ihrer Heimat. Eines Tages werden Sie wieder über den friedlichen ukrainischen Boden schreiten dürfen. Es sind unter anderem auch Ihre Worte, die mir voller Dankbarkeit mein Dasein in einem friedlichen Land widerspiegeln. Während Sie davon träumen, dass der Frieden in Ihre Heimat zurückkehrt, wünsche ich mir inständig, dass er mich, meine Familie und meine Landsleute nie im Stich lässt.
Mit herzlichen Grüßen
Jutta Horn
Antwort auf: Yevheniia Bruha