Jakob

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Jakob – Zahra Hajzadehgharehshiran

Originaltexte

Ich laufe durch den Wald. Es ist dunkel, es regnet, alles ist nass, die Kleidung ist nass, die Haare sind nass, die Haut ist nass. Ich bin allein. Ich merke nicht wirklich die Kälte und Nässe, denn ich bin mit mir beschäftigt. Ich laufe gut eine Viertelstunde schon mit tausend Gedanken. Ich habe mit niemanden über sie geredet. Ich bin einsam, müde, erschöpft doch ich kann nicht einschlafen. Also laufe ich oft abends. Ich komme an einen kleinen See. Er liegt ruhig da. Die Tropfen fallen auf ihn und er nimmt alle auf. Ich denke mir, er kann doch auch meine Sorgen aufnehmen. Also erzähle ich ihm was mir auf dem Herzen liegt. Ich sage ihm alles und er bleibt ganz ruhig und hört geduldig zu. Ich komme öfter mal zu ihm und erzähle ihm von meinem Vater, dass er Krebs habe und immer weniger Kraft, wie wenig ich in der Schule mitbekomme, weil ich an ihn denke. Dass ich Angst habe, er würde sterben oder Schmerzen haben. Und dass er oft Dinge vergesse. Die Ärzte haben behauptet, er würde höchstens noch ein Jahr leben, aber schau, dieses Ereignis ist ein Jahr her und noch lebt mein Vater. 

Ich habe viele schöne Erlebnisse mit ihm geteilt in der Zeit, aber was ich eigentlich sagen will, ist, dass es hilft mit jemanden darüber zu reden. Du sagtest „Alles wohnt im Herzen“ und das ist anfangs vielleicht gut, doch wenn zu viele schlechte Erinnerungen im Herzen wohnen und sich dort ausbreiten, dann steigert man sich weiter ins Leiden rein. Wut ist ein unbändiges Gefühl. Wenn sie einmal hochkommt, ist sie nicht mehr zu stoppen.

Es gibt Momente, da fühlt man sich fehl am Platz und hat keine Lust an dem Ort zu sein, an dem man sich befindet. So wie ich manchmal im Unterricht. In der Schule bekomme ich oft Beleidigungen zu hören. Dann gehe ich einfach in meine Traumwelt. In dieser Traumwelt sind überall Wälder. Es gibt nur Frühling und Herbst. Es ist unglaublig ruhig. Natürlich hört man etwas , aber die Geräusche sind angenehm, nur Vogelgezwitscher, lachende Kinder beim Fangenspielen und das Knarzen von den Bäumen. Diese Welt kennt weder Kriege, Krankheiten noch Umweltverschmutzung. Die Brötchen sind deutlich fairer verteilt. Die Menschen dort gehen weniger gestresst durchs Leben. Es existieren keine Waffen und nur eine Sprache. Es gibt verschiedene Religionen, doch sie akzeptieren sich gegenseitig. Natur, Mensch und Tier sind gleichberechtigt. Alle Menschen bekommen genügend Bildung, und trotzdem ist Schulschluss mit 15 Jahren. 

Wie sieht deine Traumwelt aus? Du sagtest „zu Hause bleiben selbst ist ein Leiden und das Gehen auch ein weiteres Leiden“. Vielleicht kannst du dir ja einen Ort aufbauen zum Abschalten? Nicht wortwörtlich gemeint, sondern einfach irgendwo, wo du dich wohl fühlst.

Für mich ist es ein richtig schönes Gefühl zu jonglieren. Denn dabei muss ich mich komplett auf die drei Bälle oder Fackeln konzentrieren. Dann kann ich nicht zwischendurch mal an den Krebs denken. Wenn ich jongliere, bin ich im Jetzt und ausnahmsweise mal nicht am Träumen. Sonst bricht alles zusammen. Ich fühle mich beim Jonglieren erleichtert und im Element. Es ist natürlich auch frustrierend, dass der Trick, den ich immer wieder probiere, an dem Problem scheitert, dass die Fackeln so sperrig sind und sich gegenseitig treffen. Trotzdem, finde ich, haben diese Bälle etwas Magisches, wie sie hin und her springen. Vor allem, wenn es Fackeln sind und das Feuer in einem rasenden Tempo umhertänzelt.  

Hättest du Lust es selber mal auszuprobieren? Vielleicht kann ich es dir zeigen.

Liebe Zahra, so oder so, ich wünsche dir, dass deine Zukunft mehr deiner eigenen Traumwelt ähnelt, dass du mehr mit Leuten zu tun hast, die dich akzeptieren, respektieren und auch würdigen. Ich hoffe, du triffst Menschen, die dich schätzen und mögen, du kannst dein Leben genießen und hast weniger mit unfreundlichen Leuten zu tun. Ich hoffe auch, dass du deine Familie wiedersehen kannst.

Antwort an: Zahra Hajzadehgharehshiran