Über mich:
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Briefwechsel:
Nadja Landschoof –
Originaltexte
Aldi
Aldi, Aldi, Penny, Norma,
Netto, Lidl, Edeka,
Deutschland ein Kaufland!
Die Welt bereist, verheizt und
Schnell in den Globus gerannt.
Gelb-rote Angebote in grauen Klötzen,
Je billiger es ist,
Desto größer das Ergötzen.
Wir sparen gern.
Die einen, weil sie es müssen, die anderen weil sie es können und ihr Geld lieber in Autos und
Kreuzfahrten investieren. Bei Aldi treffen sie aufeinander, die Leute aus ihren verschiedenen
Schichten, mit ihren Geschichten, Wünschen und Träumen. Und ich: dazwischen. Mein meist
grauer Alltag zwischen Arbeits- und Kaufkraft.
Zum ersten Mal ist mir Aldi in der Musik 2004 begegnet. Ich war 19, frisch Studentin und eine
Mischung aus lebenshungriger junger Frau mit Bärenkräften und flauschig unsicherem Küken,
welches aus dem Nest gefallen und einfach den anderen hinterher hüpft, als eine aufstrebende
deutsche Band sang:
„Da drüben auf dem Platz vor Aldi haben sie
unser Abbild in Stein gehauen (…)“
Es geht um ein Denkmal, das zerstört werden muss, damit die Liebe leben kann.
Wenig später, die ersten Klausuren waren sowohl verhauen, als auch bestanden, die Haare
abgeschnitten und das Fell ein bisschen dicker, auf einem Konzert einer anderen Band:
*Ein Volk steht wieder auf, na toll,
bei Aldi brennt noch Licht, du weißt
Deiche brechen richtig, oder eben nicht(…)“
Ich glaube es geht ums Aushalten, bis es nicht mehr geht und um die gesicherte Versorgung aus
der heraus man den politischen Zeigefinger erheben kann.
Und nun, 20 Jahre später, mit Hornhaut, Narben und einigen grauen Haaren rapt einer von drei
jungen Männern aus Rostock:
„Und alle reden, keiner sagt was,
der Horizont ist ein Aldiparkplatz.
Wir sind nicht die Helden die ihr braucht,
Denn ein Handshake funktioniert nicht mit geballter Faust.“‘
Das ist Aldi scheint mir: Alltag, seit mindestens 20 Jahren Gegenwart und auch kritisches Symbol.
Hast du schon unsere Supermarktparkplätze gesehen? Riesige graue Pflastermeere, funktional
und hässlich, das können wir besonders gut. Und ich? Bin ein Teil einer grauen Masse. Sei es
heute morgen in der Straßenbahn, sei es damals im Hörsaal, sei es auf den Konzerten. Egal ob es
mich bewegt, ich bewegt werde oder ich mich bewege, ich falle nicht auf, ich gehe nicht unter, ich
bin Teil von ihnen. Helden, das sind die anderen. Das sind die, die sich zeigen, sich positionieren,
sich ausdrücken, die die etwas erschaffen, etwas gestalten, und wenn es das eigene
Lebensumfeld ist. Ich schwimme eher so, lange Jahre ging es eigentlich nur darum den Kopf über
Wasser zu halten. Ich mein, ich schaue hin, ich höre hin, ich fühle hin, aber ich geh nicht hin: zu
den Demos, zu den Treffen, in die Unterkünfte. Warum nicht? Meistens weil ich noch auf Arbeit
bin. Manchmal traue ich mich aber auch nicht, weil ich denke, dass ich zu wenig vom Kontext
verstehe. Ganz langsam komme ich allerdings dahinter, dass meine Fokussierung auf meine
Arbeit nicht nur Mittel zum Zweck, sondern auch politisches Erbe des Arbeiter- und Bauernstaats
ist: wer arbeitet hat keine Zeit zum demonstrieren. Wenn ich etwas niederlege oder gar streike,
dann bisher privat: ich mich auf der Couch und die ganze Hausarbeit, aber seien wir ehrlich:
politisches Engagement oder kreativ ist das nicht. Aber immerhin: dort konsumiere ich die Bücher,
die Musik, die Texte ganz bewusst, ehrfürchtig und dankbar. Manchmal spüre ich, dass da auch
Worte sind, die aus mir heraus möchten. Aber was könnte ich sagen, was nicht schon längst
gesagt ist? Was könnte ich schreiben, was nicht andere schon schöner, schlauer und wesentlich
früher geschrieben haben? Singen oder gar rappen kann ich erst recht nicht.
Da fällt mir ein, manchmal schreibe ich Dinge, die sich reimen in mein Tagebuch. So wie das hier:
Annehmen und Loslassen
Weggehen und Mut fassen
Stimme erheben
Sich ergeben
Weiter machen
Wieder lachen.
Alles Harte weich lieben,
Alles Enge auseinander schieben
Raum und Zeit und Luft
Und ein zarter Frühlingsduft.
Toll, oder? Ich kann darüber etwas bedeutungsschwer nicken als auch selbstironisch lächeln,
über die Weisheit der Worte, die mich selbst nicht immer begleitet.
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