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Briefwechsel:
Svitlana Omelianenko – Antje Hartung
Originaltexte
Liebes Deutschland
Liebes Deutschland,
ich kenne dich schon lange, seit der Zeit der DDR. Anfangs warst du für mich ein Märchenland. Mit der Zeit hast du dich verändert, genauso wie ich. Besser gesagt: Ich bin erwachsen geworden und habe meine Veränderungen wahrgenommen. Vieles hing auch davon ab, in welcher Rolle ich hierher gekommen bin. Meine letzte Reise nach Deutschland war die berührendste, berührend in vielen Dingen, die mich früher nicht berührt haben. Ich danke dir aufrichtig, Deutschland, für alle Ukrainer, die du aufgenommen und untergebracht hast, ohne sie allein zu lassen.
Also, meine letzte Reise zu dir habe ich als Flüchtling unternommen. Mit dem bisherigen Wissen über dieses Land, hatte ich nicht allzu sehr auf umfassende Hilfe gehofft, aber wir alle haben sie erhalten. Natürlich war es sehr schwer, Dokumente zu bearbeiten, ohne die Sprache zu beherrschen, und ihre Anzahl war auch beeindruckend. In Bezug auf die Verwaltung ist es in der Ukraine einfacher und bequemer, Formalitäten zu erledigen. Der ukrainische Fortschritt: Die Anwendung der „Diya“-App.
Um nicht zur Last für das Land zu werden, habe ich angefangen, zu arbeiten. Die Arbeitsatmosphäre hat mich beeindruckt: Wir arbeiten viel, aber alles in einer nicht aufdringlichen Form und mit Freude. Jedenfalls war es für mich so, als ich in die Dienstleistungsbranche ging, in meinen Bereich. Verschiedene Besucher, aber im Großen und Ganzen, überall, sind alle größtenteils freundliche und angenehme Menschen.
Ich konnte nicht lange arbeiten: Ich wurde krank und musste zwei Operationen machen lassen. Dadurch habe ich den medizinischen Service in Deutschland kennengelernt, von Paracetamol bis zur Notaufnahme.
Dieses Land beeindruckt und erschreckt mich zugleich. Die Menge an Papierkram ist geradezu beängstigend. Mir wurde klar, warum deutsche Wohnungen immer Bürozimmer oder eine Büroecke haben.
Für mich als ältere Person war es seltsam zu sehen, wie Menschen in Deutschland (meistens junge Leute), sich einfach auf den Boden setzen oder Dinge auf den Boden legen. Ich kenne es nicht, dass eine Frau ihr Baby in der Öffentlichkeit stillt. Und ich bin sprachlos, wenn jemand aus der Tasche ein großes Taschentuch herausholt und sich kräftig die Nase putzt.
Es beeindruckt mich, dass in jedem Hof Ordnung herrscht, alles ist liebevoll gemacht, gepflegt und dekoriert, Wohnungen sehen oft wie ein Museum aus. Es gibt eine besondere Liebe zu alten Dingen. Auch ich schätze hochwertige alte Gegenstände.
Im Laufe meines Lebens ist mir oft der Ausdruck „Muss sein!“ begegnet. In diesem Ausspruch spürt man die Kraft der Ordnung, die manchmal sogar ins Absurde übergeht, wie in einem Witz über die Deutschen, die einen Nachtflug machen und am nächsten Morgen im selben Flugzeug, um die Morgenzeit bitten. Nun, es ist Morgen! Muss sein!
Svitlana Omelianenko
Liebe Leserinnen und Leser
Liebe Leserinnen und Leser,
wenn wir über die ukrainische Küche reden, fällt mir zu allererst der Borschtsch ein. Für die Deutschen ist das immer die Borschtsch-Suppe. Hier in Deutschland koche ich Borschtsch mit den Zutaten, die es hier gibt. Allerdings ist der Geschmack der deutschen Zutaten ein anderer. Es ist also besser, sich an die deutsche Art, Borschtsch zu kochen, zu gewöhnen. Aber manchmal habe ich Sehnsucht und möchte so gerne einen echten, ukrainischen Borschtsch essen.
Viele Deutsche kennen außerdem einige bekannte ukrainische Gerichte: Wareniki, Pelmeni, Plinsen. Aber wir kochen natürlich nicht nur solche Gerichte, wir haben noch viele andere Speisen. Es ist bei uns üblich, dass dreimal am Tag Essen zubereitet wird. Es gibt Frühstück, Mittagessen und Abendessen.
In meiner Familie war es Tradition, samstags zum Frühstück Reibekuchen zu braten. Neulich war ich in Dresden bei deutschen Bekannten. Ich war ganz überrascht, denn es gab Kartoffelpuffer. Der Geschmack war genauso, wie bei uns, aber die Form war anders. Neu war auch für mich, dass es dazu Apfelmus gab.
Wenn Sie mögen, probieren Sie doch einmal mein Rezept für Kartoffelpuffer aus: Geben Sie geriebene Kartoffel und klein gehackte Zwiebeln, Eier, gehackten Dill und zwei Esslöffel Maisstärke in eine Schüssel, vermischen Sie das Ganze, würzen Sie es mit Salz und Pfeffer. Ich brate die Puffer, bis sie goldbraun sind. Oh, lecker, lecker!
Oder haben Sie Lust, mein Lieblingsessen auszuprobieren? Hier ist mein Rezept für Kohlrouladen: Ich nehme die Blätter vom Wirsingkohl und blanchiere sie. Dann bereite ich die Füllung vor, ich brate Zwiebeln an, vermische sie mit Hackfleisch, Möhren, Salz und Pfeffer. Diese Füllung kommt dann in die Wirsingblätter, die ich dann fest zusammenrolle und binde. Das alles muss dann in einer Sauce im Backofen langsam etwa 40 Minuten lang garen.
Die Ukrainer mögen sehr gerne Gebäck. Ganz besonders mögen sie Piro: Das ist Hefeteig, der mit verschiedenen Zutaten gefüllt wird, zum Beispiel mit Äpfeln, Mohn, Quark, Kohl, Kartoffeln oder Obst.
Na, haben Sie jetzt auch Appetit bekommen? Vielleicht sind Sie ja auch schon satt oder freuen sich auf die nächste Mahlzeit?
Viele Grüße
Svitlana Omelianenko
Die Jugend von heute
Sie auch manchmal erstaunt über die Respektlosigkeit der Kinder? Ich schon. Vor allem deutsche Schulkinder lassen es oft an Respekt fehlen, finde ich.
Jeden Tag fahre ich mit dem Bus zur Schule und bin jedes Mal wieder überrascht: Jugendliche werfen ihre Rucksäcke neben sich auf freie Sitzplätze und denken nicht im Traum daran, den Rucksack ordentlich zwischen ihren Füßen abzustellen. Wenn man sie darauf anspricht, tun sie so, als würden sie schlafen oder wären zu sehr in ihre Handys vertieft. Vielleicht werde ich alt, aber das ist für mich inakzeptabel. Selbst, als der Fahrer darum bat, einem älteren Menschen, der den Sitzplatz brauchte, den Vortritt zu geben – keine Reaktion!
Ob das jetzt ein deutsch-ukrainischer Unterschied ist? Wenn ich kleine Kinder beobachte, möchte ich sagen, dass Kinder in Deutschland freier sind und das ist in den meisten Fällen auch gut so. Sie sind freier und nicht in einen Rahmen gezwängt, so dass sie sich besser ausdrücken können. Sie können sich über ihre Lieblingsthemen unterhalten und sind in der Lage, ein Gespräch zu führen und es am Laufen zu halten.
Aber vielleicht ist es auch ein Unterschied zwischen den Generationen? Generationen unterscheiden sich von Generation zu Generation. Ich habe einen Sohn, der 1993 geboren wurde, und eine Tochter, die 2003 geboren wurde. Und ich möchte sagen, dass sie unterschiedliche Weltanschauungen haben. Sie wurden von denselben Eltern auf die gleiche Weise erzogen – ihre Prägung und Ausbildung hängt jedoch auch von Zeit- und Weltveränderungen ab.
Der Sohn lebt ein Leben, das unserer Generation ähnlicher ist, und die Tochter denkt sogar anders. Was beispielsweise die Einstellung zur Familie und zu den Familienwerten betrifft, so scheint es mir, dass sich die Institution Familie im Laufe der Zeit völlig verändern wird.
Meine Tochter sieht überhaupt keinen Sinn in Kindern, sie möchte sich selbst verwirklichen und das Leben genießen. Sie stellt hohe Ansprüche an Männer. Ihr Traummann soll ein idealer Mann sein, der in der Natur wahrscheinlich schwer zu finden ist. Er träumt von seinem Privatleben, ohne es mit irgendjemandem zu teilen. Auch ihre Freunde sind derselben Meinung, daher stellt sich mir die Frage: „Wird es in Zukunft eine Familie mit der heutigen Struktur geben?“ Was meinen Sie?
Svitlana Omelianenko