Silke Peters

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Briefwechsel:

Silke Peters – Ghazal Hodaei

Originaltexte

Liebe Ghazal Hodaei, Dein Text bringt mich darauf mich an meine erste Reise ohne meine Eltern zu erinnern:

Meine Mutter brachte zum Zug. Die nächste Bahnstation von unserem Dorf war Ribnitz, sieben Kilometer entfernt: Ribnitz- Damgarten-West. Eine seltsame kahle und kalte Doppelstadt, wie ich später fand, in der ich auch zur Schule ging. Sie fuhr mich mit dem dem Auto dorthin. Das war Anfang der Achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts. in einem anderen Land, der DDR. Meine Mutter fuhr routiniert Auto, bekam aber bei jeglicher Uniform, die sie sah, eine Panikattacke. Ich kann nur vermuten, weshalb das so war. Ich erinnere mich nicht mehr sehr genau an Vieles, ich muss es für Dich auch erfinden. Aber ich versuche es. 

Wir packten gemeinsam die Tasche. Ich schrieb mir die Bahnstationen in ihrer Reihenfolge auf. Bis Leipzig! Ich fuhr von Tressentin nach Leipzig! Nein, es kam ein Brief von Monika, sie listete für mich die Stationen auf. Ich hielt den Zettel in der Jackentasche und starrte ständig auf die Namen, die auf den verrußten Bahnhofsschildern auftauchen sollten und wenn sie es dann wirklich taten, war ich erleichtert. Ich bin auf dem richtigen Weg! Ganz allein, vierzehn Jahre alt und ein Dorfkind, eine junge Frau ohne Handy auf dem Weg in eine Großstadt. 

Meine Mutter wollte, dass ich das Dorf verlasse und nicht dort bleibe, wie sie ihr ganzes Leben. Also setzte sie mich in einen Zug. Ich bekam eine Fahrkarte, Proviant und ein Buch? Was mag ich damals gelesen haben? Welche Bücher waren mir wichtig? Sie waren es auf jeden Fall, ich sollte mein ganzes weiteres Leben mit Büchern verbringen.

Monika war Studentin in Leipzig, wir kannten sie von einem Betriebspraktikum in der Landwirtschaft, in unserer LPG, sie wohnte für ein paar Wochen bei uns und musste im Schweinestall arbeiten. Nach der Arbeit fuhr sie an den Strand, ans Meer, ich durfte oft mit. Wie ist es für Dich jetzt am Meer zu sein? Bist Du gut angekommen? Erfüllen sich Deine Wünsche, Träume? Was ist übrig von dem schüchternen Mädchen aus dem kleinen Dorf an der Recknitz, das ich ja auch immer noch bin, wenn ich jetzt versuche mich daran zu erinnern. Die Aufregung, das knistern der neuen Reisekleidung. Das Rütteln des Zuges. Ein seltsamer Mitreisender fragte mich eindringlich in so einer Situation, als der Wagon besonders stark tanzte, was ich denn machen würde, wenn der Zug jetzt entgleist.

Antwort an: Ghazal Hodaei