Inge Rettberg

Über mich:

Ich bin die Inge, geboren am 15.05.1949 in Kassel/Hessen. Nach dem Abschluss verschiedener Berufsausbildungen begann ich 1992 auf der Insel Rügen als Gymnasiallehrerin das Fach Englisch zu unterrichten. Seit ich in Rente bin, verbringen ich meine Zeit mit meinen Hobbys: der Gartengestaltung, dem Malen, Schreiben und Lesen sowie der Versorgung meiner Tiere.

Briefwechsel:

Inge Rettberg – Hanna Bohantkina

Originaltext

Liebe Hanna,

wenn du sagst, du würdest gern einen Brief als Touristin schreiben, vermute ich, dass du eine tiefe Sehnsucht nach der Leichtigkeit des Seins verspürst. Du möchtest dich unbeschwert treiben lassen, dich auf neue Situationen und Erfahrungen einlassen und sie genießen können. Aber alle Erlebnisse, Entbehrungen, Verluste, Ängste und Bilder im Kopf erlauben es dir nicht.

Ich weiß nicht, ob ein Krieg Menschen das Recht auf Genuss gänzlich nehmen kann. Ich glaube, dieses Recht kann einem nichts und niemand nehmen. Auch in Krisen- und Kriegszeiten gibt es bestimmt kleine Nischen, in denen man sich dem Genuss hingeben kann und sei es auch nur für kurze Momente, wie dem Gesang eines Vogels zu lauschen, die Sonnenstrahlen zu genießen oder eine liebevolle Umarmung.

Ich glaube, es ist der eigene Kopf, es sind die eigenen Gedanken und Gefühle, die uns den Zugang zum Genuss verwehren. Ich könnte mir vorstellen, dass sich bei dir wahrscheinlich Schuldgefühle oder ein schlechtes Gewissen einstellen. Du fühlst dich hier in Deutschland sicher, während in der Ukraine ein von euch eigentlich ungewollter Krieg tobt, Menschen um ihr Leben bangen, vertrieben und entwurzelt werden, schwer verletzt werden oder sogar sterben müssen.

Ich weiß nicht wirklich, wie sich Krieg anfühlt, was er mit Menschen macht, aber allein meine Vorstellungen und Bilder oder Berichte über das Kriegsgeschehen in der Ukraine oder anderen Ländern kann ich kaum ertragen. Wie erst muss es sein, wenn man direkt betroffen ist? Ich möchte es niemals erfahren, aber wer weiß schon, was das Leben für uns vorgesehen hat. Wie haben nicht die Wahl.

Ich ärgere mich ein bisschen über deinen Satz, dass es besser ist, das zu teilen, was Anklang findet und amüsiert. Sagst du das aufgrund deiner beruflichen Ansprüche als Journalistin? Dein Text ist aber kein Artikel in einer Zeitung, der veröffentlicht werden soll, sondern ein Brief! Sind Briefe, speziell jene, die im Projekt „letters found“ geschrieben werden, nicht sehr persönliche Mitteilungen von Mensch zu Mensch? Geht es nicht darum, etwas voneinander zu erfahren, sich kennen zu lernen und eventuell den Kontakt zu vertiefen? Ein Brief, auch ein Stück Papier, auf dem man sich seinen Kummer von der Seele schreiben kann, sich ohne Vorbehalte mitteilen kann? Traurige Botschaften haben auch etwas sehr berührendes, können eine Verbindung schaffen, die wertvoller ist als jegliches Amüsement.

Ich muss aber gestehen, deine witzige Art zu schreiben bringt mich oft zum Schmunzeln. So zum Beispiel der Absatz über die Deutschen und ihre Hunde! Habe selbst zwei Hündinnen aus dem Tierschutz, aber leider bekomme ich kein „Hundegeld“, stattdessen muss ich Hundesteuer an die Gemeinde zahlen. Verstehst du das???

Und, liebe Hanna, die Deutschen zu entschlüsseln wird dir wohl NIE gelingen, denn sie sind von Region zu Region sehr unterschiedlich. Auf Rügen finde ich sie sehr speziell. Ich komme ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen und lebe inzwischen schon über 30 Jahre auf dieser Insel, aber engere freundschaftliche Kontakte sind sehr schwer zu knüpfen. Es heißt, wenn man hier keine 7 Generationen auf dem Friedhof begraben hat, gehört man einfach nicht dazu. Es ist hoffnungslos für mich, das schaffe ich nicht!

Ja, Deutsche, die in Behörden oder Ämtern tätig sind, scheinen eine starke Ähnlichkeit zu haben. Sogar Deutsche selbst machen Witze über sie. Man nennt sie Beamte! Sie haben offensichtlich eine besondere Arbeitsmoral und häufig ähnliche Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften.

Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du bald als Touristin schreiben kannst und das Meeresrauschen einfach nur als das genießen kannst, was es ist: Das Rauschen des Meeres.

Alles Gute für dich
Inge

Antwort an: Hanna Bohantkina

Fremde
ein Gefühl
das uns trennt
aber auch eine Chance
Lebenserfahrung

Einsamkeit
Nicht gewollt
Kann Seelen verletzen
Gibt es einen Weg
Hinaus?

Glück
Ein Moment
Den wir genießen
Zu kurz für uns
Leider

von Inge Rettberg

Antwort an: Hanna Bohantkina