Friedrun 

Über mich:

Ich wurde im Zweiten Weltkrieg geboren. Als er endete, war ich dreieinhalb Jahre alt. Wir flüchteten vor den russischen, teils auch englischen Besatzern, verloren alles Hab und Gut, konnten aber 1946 wieder in das frühere Haus einziehen. Es war zur sowjetischen Kommandantur erwählt worden. Soldaten und wechselnde Flüchtlingsfamilien waren geraume Zeit unsere Mitbewohner. Zu Kindern waren sie alle lieb. Zwei Bücher unserer einstigen Bibliothek lagen trotz Plünderung noch umher – ein zerfleddertes mit Grimms Märchen und eins mit Feengeschichten auf Französisch. Mein Vater hielt uns an, jeden Tag aufzuschreiben und vorzulesen, was wir erlebt und wie wir uns verhalten hatten. So konnte ich schon vor Schuleintritt lesen und schreiben – bis heute meine Lieblingsbeschäftigungen! Ich studierte in Berlin Medizin und war in Grimmen sowie Stralsund als Frauenärztin tätig, bin verheiratet, habe drei Kinder und vier Enkel.
Ich wünsche mir, dass alle Menschen der Welt in Frieden nebeneinander leben können.

Briefwechsel:

Friedrun – Mofida Ankir
Friedrun – Rawda Mdahmish

Originaltexte

Es ist nicht einfach, Antwort dir zu geben
und Zuversicht in dir jetzt aufzubauen.
Doch deine Texte spiegeln viel Vertrauen,
obwohl so hart und mühsam ist dein Leben!

Der Bürgerkrieg behinderte dein Streben,
so wie die stete Missachtung von Frauen.
Du aber übtest dich, nach vorn zu schauen,
in jener Männerwelt dich zu erheben.

Barrieren suchtest du zu übersteigen – 
gepaart mit Mut, im Alltag nicht zu schweigen.
Wer derart lebt, geht nicht so schnell zugrunde.

Ein tiefer Sinn für Prosa ist dir eigen
wie deine dichterischen Worte zeigen.
Ich fühle mich mit deinem Tun im Bunde!

Friedrun

Antwort auf: Mofida Ankir

Adels Geschichte, die Rawda Mdahmish so beeindruckend schildert, trifft mich mitten ins Herz.
Vielleicht ist es anmaßend, jedoch fühle ich mich mit Adel verbunden – durch Fluchterlebnisse in meiner Kindheit am Ende des Zweiten Weltkriegs und durch Berichte von und über Menschen, die die innerdeutsche Grenze (1949-1989) zu überwinden versuchten, oft mit tragischem Ausgang. Auch durch das Verantwortungsgefühl für Hilfsbedürftige und Kranke. Selbst der Beruf des Arztes und damit verbundene Krisen sind uns beiden zu eigen.
Laut der Erzählung sucht Adel nach seiner Ankunft in unserem Land, womöglich gar unserer Stadt, fieberhaft weiter nach der Identität eines Flüchtlings, der unterwegs, zur „Eis-Säule“ erstarrt, auf dem Waldboden kauert und dem Adel unter der Gefahr, selbst dort zurückgelassen zu werden, mit einem Begräbnis die letzte Ehre zu erweisen versucht. Welche Ehrfurcht, welche Anteilnahme! 
Adel, auf der Flucht von Syrien nach Deutschland, führt einen kleinen Jungen mit sich, trägt ihn Tag und Nacht durch dick und dünn – den Sohn seiner Schwester, die ihn sterbend gebeten hat, für den Kleinen wie für sein eigen Fleisch und Blut zu sorgen. Er, ein Mann mit Herz und Gewissen, gerät in die Zwickmühle. Ließe er ihn wie den eigenen Nachwuchs in der Hoffnung auf Bewilligung des Familiennachzugs Verwandter ersten Grades vorerst daheim, um ihm die Strapazen der Flucht zu ersparen, nähme er ihm wohl für immer die Chance, Syrien in diesem endlosen Bürgerkrieg zu entkommen. 
Wieder spüre ich mich bei Adel, haben wir doch einst auch für einen kleinen von Vater und Mutter verlassenen Jungen Verantwortung übernommen, ihn adoptiert und wie jedes unserer Kinder erzogen und behütet.
Die Stelle, an der erzählt wird, dass Adel auf der Flucht in den bulgarischen Wäldern auf jener kleinen dünnen Tasche, der einzigen Unterlage, sitzt, die seinen wertvollsten Schatz beherbergt, sein „Abschlusszeugnis als Arzt“, versetzt mich zurück in längst vergangene Tage. 
Uns wird damals gleichzeitig mit dem Zeugnis des medizinischen Staatsexamens die Approbationsurkunde überreicht, die Zulassung, als Arzt zu praktizieren. Wehmütig und mit Herzklopfen krame ich die Papiere nochmals hervor und gedenke jener überwältigenden Feierstunde 1967 in der noch jungen Kongresshalle am Alexanderplatz in Berlin. Professor Kraatz, Schwarm aller Medizinstudenten, händigt per Handschlag die Urkunden aus. 
14 Tage später beginne ich mit der Facharztausbildung als Frauenärztin in einem Ort meiner Wahl – im Einvernehmen mit meinem Liebsten im Bezirk Rostock.
23 Jahre, bis zur politischen Wende in Deutschland, verläuft in meiner beruflichen Tätigkeit alles super. Dann muss der größere Teil der ambulant tätigen Ärzte sich in eigener Praxis niederlassen, wozu mir die finanziellen Mittel fehlen. Was tun, damit es weitergeht? Es gelingt mir, durch Unterrichten in Ausbildungsstätten für Pflegeberufe und Physiotherapeuten, durch Kurse zur Früherkennung von Brustkrebs, Sexualaufklärung in Schulen und Mitarbeit in Selbsthilfegruppen, Fuß zu fassen. Schließlich finde ich bei der pro familia Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e.V. eine Anstellung als Leiterin und somit endlich wieder eine erfüllende Tätigkeit. Dazu kann ich sogar noch eine mehrjährige psychoanalytische Ausbildung als Paar- und Sexualberaterin absolvieren, was ich mir schon ewig erträumt hatte. 
So steht wohl auch Adel noch eine anstrengende, jedoch ebenso spannende Zeit bevor, bis ihm die Approbation für Deutschland verliehen werden wird. Seine Sprachkenntnisse wird er bis dahin vervollkommnen, eine Reihe sozialer und kultureller Hürden überwinden und landestypische Gepflogenheiten verinnerlichen. 
Ich bin sicher – Adel schafft es! Er ist durch und durch Arzt, zu nichts anderem geboren. Viele PatientInnen brauchen ihn, herrscht doch ein enormer Ärztemangel in unserem Land. Und es ist kein Geheimnis – syrische Ärzte sind hier äußerst beliebt.                                                                                                        
Mein Herz schlägt für Adel. Ich wünsche ihm Zuversicht, Geduld, Erfolg und Glück
und dass er bald wieder mit seiner Familie zusammenleben kann.
Hier.

Friedrun

Antwort auf: Rawda Mdahmish | Adel

Du bist halbtot hier angekommen,
du spürtest nicht mehr,
ob dein Herz noch schlägt.
Du fühltest dich nicht wahrgenommen.
Vom Arzt, der die Verpflichtung trägt,
hast du, „da illegal“, kein Krankenblatt bekommen.

Oft musstest du an deine Mutter denken,
die liebevoll an ihren Kindern hängt
und in Gedanken stets zu ihnen drängt.
Dir, Tochter, würde sie ihr Leben schenken,
jedoch ihr eignes war schon eingeschränkt.
So galt dir, all‘ dein Tun auf deine Flucht zu lenken!

Dann reichte dir der Arzt diese Kartoffel an,
er pries sie als das Superkraftpaket.
Du aber brauchtest eher Brühe als Diät,
sah jeder dir die Austrocknung doch an.
Gab sich der Doktor denn so wenig Mühe,
war übermüdet er, gleichgültig – inhuman? 

Jetzt bist du hier, verzage nicht
– ich wünsch‘ dir Glück und Zuversicht!

Friedrun

Antwort auf: Rawda Mdahmish